[FSK18] Valerias Jugendjahre - Orkenspalter (2024)

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[FSK18] Valerias Jugendjahre - Orkenspalter (3)

  • Hinrich
  • 4. September 2018 um 19:27
  • Erledigt
    • 4. September 2018 um 19:27

      Schon seit Jahren geht mir diese Hintergrundgeschichte im Kopf herum, jetzt bin ich endlich dazu gekommen, sie zu erzählen. Mit über 18,000 Wörtern ist es mehr als eine Kurzgeschichte, aber noch nicht ganz eine Novelle.

      Jeden Tag werde ich euch ein Stück davon vorstellen.

      ___

      Karawane

      »Valeria Fiorella Margarita!«

      Wenn ihre Mutter sie so rief, mitallen Vornamen, konnte dies nur Ärger bedeuten. Margarita warder Name der Mutter ihrer Mutter, einer feinen Dame aus Mirham, diestets zitiert wurde, wenn es um ihr – Valerias – schlechtesBenehmen ging, und Fiorella, die Mutter ihres Vaters und ehemalsangesehenste Hafendirne Mirhams, wurde überhaupt nur erwähnt,wenn Valeria ihrer Familie Schande bereitet hatte – jedenfalls nachAnsicht ihrer Mutter.

      Valeria stellte einen Fuß nachvorn, zog an Yuziks Arm und warf ihn zu Boden.

      »He!« protestiertedieser.

      »Ich muss gehen«, sagtesie. »Mama braucht mich.«

      Yuzik rappelte sich auf und griffnach ihren blonden Haaren. »Wenn du richtig kämpfst, wirddein Gegner dich auch nicht einfach gehen – uff!«

      Schon lag er wieder auf dem Boden.

      Sie lächelte auf ihn hinab. »Duhast mich gut gelehrt. Zwing mich nicht dazu, den Nackenbrechereinzusetzen.«

      Yuzik grinste zurück. »Schongut. Erinnere mich daran, dass ich mir gut überlege, wem ichnochmal meine Tricks im Hruruzat zeige.«

      Sie nickte ihrem Freund noch einmalzu, bevor sie zurück zu ihrem Wagen rannte. Die kleinenSteinchen des Lagerbereichs, die ihre nackten Füßepieksten, versuchte sie zu ignorieren. Eine Belehrung ihresVaters wäre erheblich unangenehmer.

      Ihre Mutter kletterte aus dem Wagen.»Wo bist du gewesen?« Sie kniff die Augen zusammen undmusterte Valeria. »Hast du dich wieder mit dem Moha geprügelt?«

      »Er ist Oijaniha«,erklärte Valeria ruhig wie jedes Mal. »Er hat mir Tricksgezeigt, wie ich mich wehren kann.«

      »Er ist kein Umgang fürdich«, beharrte ihre Mutter. »Anständige Töchterwälzen sich nicht mit dem Pöbel im Dreck. Komm jetzt, wirmüssen die Pferde füttern.«

      Anständige Töchter wohntenin einer Villa in der Stadt und zogen nicht im Wagen von Fischerdorfzu Fischerdorf, fand Valeria, aber sie widersprach ihrer Mutternicht. Adelia Marquez legte großen Wert auf Umgangsformen undErscheinung, auch wenn sie regelmäßig erwähnte, einenanderen Lebensstil verdient zu haben.

      Auf keinen Fall würde diewohlerzogene Dame aus feiner Gesellschaft sich selbst dazuherablassen, ihren streng riechenden Zugtieren näher zu kommenals vermeidbar. Striegeln und Füttern der beiden Stuten wardemnach die Aufgabe ihrer Tochter Valeria.

      Sie zerrte einen Sack Hafer von derLadefläche des klapprigen Planwagens und ließ diesen aufden harten Untergrund fallen.

      »Gib doch acht, Kind!«rief ihre Mutter. »Du verschüttest noch das ganze Futter!«

      Valeria gab sich Mühe, nicht dieAugen zu verdrehen. Die robusten Futtersäcke hielten viel mehraus als die feinen Seidenkleider ihrer Mutter – ihr Hemd und ihreHose, aus alten Futtersäcken genäht, bezeugten dies.Dennoch wuchtete sie sich den schweren Sack lieber über dieSchulter, als ihn nach vorn zu den Pferden zu schleifen. Ihre Mutterverstand nicht, wie viel einfacher das war, und ihr Vater war schonaus Prinzip gegen alles, was sein Eigentum beschädigen mochte.

      Das Füttern machte ihr nichtsaus – Agatha und Alrike, ihre beiden alten Stuten, waren gutmütigund ihrer Pflegerin sehr zugetan.

      • 5. September 2018 um 20:14

        Der Futtersack war längst wiederauf der Ladefläche verstaut, und die Praiosscheibe hinter denWipfeln der Palmen und Zypressen versunken, als ihr Vater mitunsicherem Schritt hinter dem Wagen der Zoltars hervorkam. Zoltar warder Führer ihrer kleinen Handelskarawane. Er handelte unteranderem mit Bier und Branntwein. Dabei verkaufte er einen Gutteilseiner Ware an die übrigen Karawanenteilnehmer.

        Valeria verharrte neben dem Heck desWagens und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. Wenn ihrVater betrunken war, war er unberechenbar und neigte noch mehr alssonst zu Gewalttätigkeit. Dann war es besser, seineAufmerksamkeit nicht zu erregen – sich zu verstecken, war aber auchkeine Lösung.

        Adelia trat zwei Schritte vor. »Washast du uns mitgebracht, Luc?«

        Eine unnötige Frage, fandValeria, war es doch klar zu sehen, dass ihr Vater mit leeren Händenkam.

        »Frag nicht, Weib. Steig in denWagen.«

        Seine Frau seufzte und zupfte an derSchleife ihres besten Reisekleides.

        Dies war wieder ein Abend, an dem sieund ihre Mutter hungrig schlafen gehen würden – nachdem ihrVater seinen »traviagefälligen Pflichten«nachgekommen war, die den ganzen Wagen zum Beben brachten, zurUnterhaltung und Belustigung aller übrigen Mitreisenden.

        Schon merkte sie ein Grummeln imBauch, als der Blick ihres Vaters die Länge seines Wagensentlang schweifte und durch sie hindurch zu gehen schien. »Woist dieses nichtsnutzige Gör?«

        »Ich bin hier, Herr Vater«,sagte sie und drehte sich in seine Richtung.

        Erst jetzt schien er sie zu bemerken.»Mach dich nützlich und such uns ein paar Wurzeln undFrüchte. Aber bleib in der Nähe des Lagers, und eil dich.Deine Mutter hat Hunger.«

        »Ja, Herr Vater.« Sieeilte davon. Es war nicht ratsam, nach Einbruch der Dämmerungallein und unbewaffnet das Lager zu verlassen, aber es war auch nichtratsam, ihrem Vater zu widersprechen, wenn er getrunken hatte undungestört seiner Frau beiwohnen wollte.

        • 6. September 2018 um 18:35

          Kurz bevor sie die Kuppe desKarrenpfades erreichte, spürte sie eine Bewegung hinter sich.Mit zusammengekniffenen Lidern wandte sie sich um und spähte inRichtung des Lagers zurück.

          Yuzik wedelte mit dem Arm. »He,Vala. Was machst du hier?«

          »Ich soll Wurzeln und Früchtesammeln.«

          »Hat dein Vater wieder seinGeld vertrunken?«

          »Ja, und jetzt haben wir nichtszu essen. Ich soll was finden – aber natürlich in der Nähedes Lagers bleiben, wo schon alles kahlgesammelt ist.«

          »Natürlich. Deshalb bistdu jetzt hier.«

          »Das ist in der Nähe. Odersiehst du schon die Lichter eines Dorfes?«

          »Nein.« Yuzik grinste.»Ich sehe die Lichter des Lagers, wenn ich mich jetzt umdrehe.Dann bin ich aber geblendet, also mache ich das nicht.«

          »Deshalb kneife ich auch dieAugen zu und sehe zum Boden.« Valeria wedelte mit der Hand.»Ich bin froh, dass du da bist. Komm, wir müssen etwasfinden, solange man überhaupt noch etwas sehen kann.«

          • 7. September 2018 um 17:06

            Mit einem Palmenwedel voller Früchteauf dem Arm erhob Valeria sich. »Ich glaube, das reicht.Yuzik?«

            Yuzik antwortete nicht. Sie sah sichsuchend um – und starrte in die Katzenaugen eines Jaguars, nurwenige Armlängen entfernt.

            Der Schrei blieb ihr in der Kehlestecken, und ihre Bewegung fror ein. Ich bin nicht da, dachte siekonzentriert, auch wenn ihr das gegen die Raubkatze nicht helfenwürde. Sicher war diese genauso hungrig wie sie selbst, alsokonnte sie dem Tier nicht einmal böse sein.

            Der Jaguar spähte an ihr vorbei,als wäre sie tatsächlich nicht da. Stattdessen hatte diegroße Katze nun Yuzik entdeckt. Ihr Freund versuchte, sichhinter dem Stamm einer Palme zu verstecken.

            Das Raubtier schlich einige Schritteauf den Oijaniha-Jungen zu, an Valeria vorbei, und duckte sich zumSprung.

            »Nein!« schrie sie,ergriff eine Frucht und schleuderte diese mit aller Kraft auf denJaguar.

            Die Frucht zerplatzte in einemgleißenden Funkenregen auf dem Rücken des Tiers. DerJaguar jaulte und rannte davon.

            Valeria schaute hinab auf ihreblanken Füße, auf das Palmenblatt und die verstreutenFrüchte, dann auf Yuzik, der sie nur anstarrte. Es roch nachverschmorten Haaren.

            • 8. September 2018 um 11:46

              Fischerei

              »Morgen erreichen wir MilzushsDorf«, sagte Yuzik. »Wollen wir heute noch einmaltrainieren?«

              »Gern«, sagte Valeria undzog den Riemen von Alrikes Futtersack fest. »Hier?«

              »Nein, lass uns runter an denFluss gehen. Der sandige Grund ist besser dafür.«

              »Wenn ich dich mal wiederhinwerfe.«

              Yuzik lachte. »Oder ich dich.Wir werden ja sehen.«

              Der Waldmenschenjunge war derKräftigere der beiden. Trotzdem gewann Valeria meistens. Seitsie begriffen hatte, dass es beim Hruruzat nicht auf Kraft, sondernauf Balance und Geschicklichkeit ankam, konnte er seine Stärkennicht ausspielen.

              Gemeinsam eilten sie zum Ufer hinab,denselben Weg, den sie seit Erreichen des Lagerplatzes am spätenNachmittag schon mehrmals mit leeren Wasserschläuchenzurückgelegt hatten – und den sie mit prall gefülltenSchläuchen wieder hinauf geklettert waren.

              Eine breite Sandbank trennte denDschungel vom träge dahin gleitenden Fluss.

              »Bist du bereit?« fragteYuzik.

              Valeria zögerte. »Ichsollte besser nicht. Mama wird es nicht mögen, wenn meine Sachenvoller Sand sind.«

              »Dann zieh sie halt aus.«Yuzik löste den Strick seiner Hose und schob diese hinab, zogdann sein Hemd über den Kopf. Mit nichts als seinem Lendentuchbekleidet, stemmte er wartend die Hände in die Hüfte.

              Sie runzelte kurz die Stirn – dannzog sie ihr eigenes Hemd über den Kopf und die Hose hinunter undging in Position für seinen Angriff.

              »Komm.«

              Yuzik blieb stehen und starrte aufihre Brüste, dann auf ihren Schritt. »Du hast nichtsdrunter«, kommentierte er das Offensichtliche. »Oder eineganze Menge. Du kriegst ja schon Brüste, und Flaum hast duauch.«

              Das war ihr nicht neu – dieseVeränderungen beobachtete sie an sich selbst schon seit einigenMonden. »Guck nicht so. Wenn du was willst, musst du es dirschon holen.«

              Das ließ Yuzik sich nichtzweimal sagen. Seine Griffe saßen jedoch noch schlechter alssonst – viel zu offensichtlich versuchte er, die zuvor erwähntenStellen zu erreichen, und diese waren wenig geeignet, ihm zu einemsiegreichen Griff zu verhelfen. Davon ließ er sich jedoch nichtentmutigen, und so warf Valeria ihn wieder und wieder in den Sand.

              Schließlich hatte sie seineArme hinter seinem Rücken fixiert, ihn rücklings zu Bodengeworfen, und seine Hüfte und Oberschenkel mit ihrer Beinschereeingeklemmt.

              »Gibst du auf?« fragtesie.

              »Du hast gewonnen«, sagteer.

              Dann fühlte sie einenunerwarteten Druck gegen ihren Schoß. »He!«

              Er grinste verschämt. »Ichkann es nicht verbergen. Dein Anblick erfreut mich.«

              Valeria verstärkte den Druckihrer Schenkel und lächelte. »Ich muss wohl künftignoch mehr aufpassen, wie ich dich bezwinge. Damit uns nichtsUnschickliches geschieht.«

              Sie ließ seine Hände losund erhob sich. Immer noch lächelnd stellte sie fest, dass seinLendentuch sich gelockert hatte, sagte aber nichts.

              Als Yuzik sich ebenfalls aufrappelte,fiel sein Tuch wie erwartet hinab, zeigte dabei aber mehr, als sieerwartet hatte.

              »Ich kann es nicht verbergen«,kommentierte sie. »Dein Anblick erfreut mich.«

              • 9. September 2018 um 12:10

                Während Valeria am nächstenTag neben ihrem Planwagen her lief, kreisten ihre Gedanken um Yuzikund seine unerwartete Reaktion auf ihre Nacktheit. Natürlichwusste sie, wie sich Mann und Frau unterschieden. So eng, wie man imKarawanenlager zusammenlebte, war es unvermeidlich, unbekleideteMenschen zu sehen. Sie wusste auch, was ihr Vater und ihre Muttermiteinander taten, wenn sie sich entkleideten und ihren Schlafplatzoben auf den Warenkisten erkletterten. Gelegentlich hatte sie ihrenEltern oder sogar anderen Mitreisenden zugesehen.

                Für sich selbst hatte sie diesemTreiben keine Bedeutung zugemessen – bis zum vorigen Tag. Yuzikhatte ihr deutlich gezeigt, dass auch ihr Körper das Zielmännlichen Wollens werden konnte, und wenn er sie schönfand, dann musste sie ihm Recht geben – der kleine Spiegel ihrerMutter sagte ihr das Gleiche.

                Wie männliches Wollen sichausdrückte, sah Valeria in ihrem Vater – rau, gewalttätig,rücksichtslos. So was will ich nicht, sagte sie sich. Auch nichtvon Yuzik. Selbst wenn er wirklich – gut ausgestattet ist.

                Sie zuckte mit den Schultern undbeeilte sich, wieder zum Wagen aufzuschließen. Für denTraviabund war sie sowieso noch zu klein.

                • 10. September 2018 um 18:13

                  Milzushs Dorf bestand aus einer wildentlang der Küste verstreuten Ansammlung von Fischerhüttenund Sprossengestellen mit langen Reihen toter Fischleiber. Derenwürziger Geruch schien die Luft zu sättigen – nur leidernicht Valerias knurrenden Magen.

                  Dort, wo der Karrenpfad am Strandendete, stand die größte der Fischerhütten, und vordieser Hütte war genug Platz, die fünf Wagen der kleinenKarawane in einem Halbkreis aufzustellen.

                  Zoltar half ihrem Vater, die schwerenKisten abzuladen, während Adelia und Valeria Tuche und Werkzeugeausbreiteten, die sie an die Fischer zu verkaufen hofften – fallsdiese etwas Tauschwürdiges aus dem Meer gefischt hatten, womitsie sich diese Waren leisten konnten.

                  »Was kann das sein?«fragte Valeria.

                  »Stinkenden Trockenfisch nehmenwir nicht an«, erklärte ihre Mutter. »Selbst wennder sich im Binnenland verkaufen ließe – der Geruch verdirbtalle anderen Waren, außer dem Metall. Das wäre einVerlustgeschäft.«

                  »Dann nehmen wir frischenFisch?«

                  »Manchmal. Einen – um ihngleich zu essen.«

                  »Was haben sie dann sonst?«

                  »Oh, vielerlei. Vor der Küsteentlang segelnde Schiffe verlieren manchmal Ladung, oder sie geratenin Seenot und stranden in der Nähe. Dann kann man vielerleiDinge sammeln.«

                  »Wieso sollte ein Schiff Ladungverlieren?« fragte Valeria. »Ist die nicht so ordentlichfestgezurrt wie auf unserem Wagen?«

                  Adelia schüttelte den Kopf.»Natürlich, Kind, aber wenn ein Sturm droht…manchmal hilft es, wenn das Schiff leichter ist.«

                  »So,wie wenn wir einen steilen Anstieg fahren müssen?« Valeriahatte die Pause sehr wohl bemerkt, und für sich andereBedrohungen ergänzt, aber da es ihrer Mutter unangenehm schien,darüber zu reden, bohrte sie nicht nach. Vielleich wusste Yuzikmehr. »Ist ja blöd. Die können die Kisten nichtabstellen und zweimal fahren, oder?«

                  »Nein,das können sie nicht.« Adelia deutete auf den Wagen.»Bring mir mal das rote Kästchen.«

                  »Ja,Mama.«

                  Ihr Vaterhalf nun umgekehrt Zoltar beim Abladen. Valeria hielt inne undlauschte, als sie ihren Namen hörte.

                  »DeineValeria wird allmählich erwachsen, Luc«, sagte Zoltar.

                  »Jaja.Wird auch Zeit, dass sie ordentlich mit anpacken kann«, sagteihr Vater.

                  »Siewar schon immer ein hübsches kleines Ding, aber jetzt, da sichihre zarten Knospen entfalten, wird sie eine richtige Schönheit.Viel zu schade, um sie nur bei Kisten ordentlich anpacken zu lassen,was? Hahaha!«

                  »Wasmeinst du?«

                  »Ichmeine, dass sie dir richtig was einbringen kann, Luc. Sie ist dochnoch unberührt, oder? Schau sie dir mal richtig an!«

                  Valeriazog sich hinter eine Plane zurück.

                  »Ichmeine, Luc, denk mal nach. Ich kenne ein paar Leute in Mirham, dievermitteln könnten – einer der Granden in Al’Anfa zahltbestimmt einen Höchstpreis für eine so schöneJungfrau. Dort würde sie es gut haben, immer reichlich zu essen,schöne Kleider, ihre eigenen Diener – und du könntest diretwas leisten. Einen neuen Wagen vielleicht, oder neue Zugtiere.«

                  »Ichsoll meine Tochter verkaufen?«

                  »Nunsieh mich nicht so an, Luc. Du sagst doch selbst immer, dass sie einNichtsnutz ist, dir nur Kosten verursacht und Ärger bereitet.Und deine Frau sagt auch immer, dass die Karawane kein Ort fürjunge Mädchen ist – viel zu gefährlich. Und…«

                  »Nichtjetzt.«

                  Valeria hatte sie auch bemerkt, dieersten Fischersfrauen, die neugierig näherkamen.

                  Nachdenklich ergriff sie das roteKästchen und schritt um den Wagen zurück zu ihrer Mutter.Reichlich essen und schöne Kleider klangen verlockend – undaußer Reichweite ihres Vaters. Aber von Al’Anfa hatte Yuzikgesprochen. Dort hielt man Menschen wie Tiere, als Sklaven – auchschöne, junge Oijaniha-Mädchen. Und ganz besonders wertvollwaren die unberührten Mädchen, diejenigen, die noch nie vonRajhas Frucht gekostet hatten, die noch kein Mann zur Frau gemachthatte.

                  Sie hatte nur eine sehr nebelhafteVorstellung davon, was es bedeutete, eine Sklavin zu sein – abersie war sich ganz sicher, dass dies nicht ihr Schicksal werdendurfte. Sie wollte frei sein, selbst zu entscheiden, was sie tundurfte. Und wenn ihre Freiheit davon abhing, nicht mehr unberührtzu sein, dann würde sie Phex ein Opfer bringen – noch bevorsie nach Mirham zurückkehrten.

                  • 11. September 2018 um 18:22

                    »Ihr habt eine sehr hübscheTochter, Herr«, sagte der Fischer. Die senkrechte Narbe einesschlecht verheilten Schnittes entstellte seine linke Gesichtshälfte.Immerhin hatte der Schnitt sein Auge knapp verfehlt. »Vielleichtkönnen wir unseren Handel ein wenig erweitern? Ihr seid auchmorgen noch den ganzen Tag hier, oder?«

                    Valeria erstarrte. Ihre Mutter sogmit leisem Zischen Luft an.

                    Ihr Vater wandte kurz den Kopf zuseiner Tochter um, studierte den vor ihm ausgebreiteten Inhalt derSeekiste, fixierte dann wieder seinen Kunden. »Was wäreeuch dies wert?«

                    »Nein!« flüsterteAdelia.

                    Nein, dachte Valeria. Das istschlimmer als Al’Anfa. Mit diesem Kerl?

                    Viel schlimmer war, dass ihr Vaterdas unziemliche Ansinnen nicht rundheraus ablehnte. War Zoltars Saatin ihm schon so weit aufgegangen?

                    »Nun ja«, sagte derFischer. »Das Mädchen ist noch kaum erfahren, also dachteich…«

                    Nein, dachte Valeria, nicht dieserKerl! Sie spürte Tränen in sich aufsteigen, und ihr Körperbegann zu zittern – vor Angst, vor Zorn?

                    »Nein!« schrie sie laut.Ein Windstoß fuhr über den Platz, ließ Kisten undWagen rappeln, Planen flattern, Metallteile scheppern, wirbelteKleinteile herum, und riss ihren Vater und den Fischer fast von denBeinen.

                    Mit Tränen in den Augen ranntesie davon.

                    • 12. September 2018 um 20:21

                      Opferung

                      Yuzik wackelte mit beiden großenZehen. »Ich habe dir weh getan.«

                      Valeria starrte über den Flusshinweg, ihre Arme um die Knie geschlungen. Ja, es hatte einmal sehrweh getan – zu sehr, als dass sie ihr Rahjaopfer hättegenießen können. Doch Yuzik hatte wenigstens versucht,sanft zu sein.

                      »Es musste sein«, sagtesie. »Du hast mich befreit.«

                      »Ich wollte das nicht. Ichkonnte dir nur nicht widerstehen. Du warst so – so entschlossen.«

                      »Ja. Ich wollte es so.«

                      »Warum? Warum ich, warumjetzt?«

                      »Du bist mein Freund.«Nun musste sie Yuzik vom Gespräch ihres Vaters mit Zoltarberichten. »Ich möchte nicht nach Al’Anfa verkauftwerden.«

                      Ihr Freund ballte die Fäuste.»Bei allen Göttern, nein. Oh, Valeria, das hättest dumir auch vorher sagen können. Du hättest nicht so tunmüssen, als wolltest du mich verführen.«

                      »Ich wollte dich verführen.Ich wollte, dass es passiert, weil ich es will. Nicht weil du mirhelfen willst.«

                      Yuzik lächelte. »Ja. Wasich will, zählt nicht.«

                      Valeria schüttelte den Kopf.»Nein, sag das nicht so. Du bist mein Freund, nicht meinSklave.«

                      »So habe ich es auch nichtgemeint, Vala. Ich wollte sagen, dass du unwiderstehlich bist, wenndu es darauf anlegst.«

                      »Trotzdem. Wir sind Freunde,also sollte ich dich fragen, was du willst.«

                      »Was ich will?«

                      »Wünsch dir etwas. Egalwas.« Sie drückte ihr Kreuz ein wenig durch, mehr nicht.Sie hatte klare Vorstellungen, was ihr Freund sich wünschensollte, aber diesmal sollte es wirklich seine Entscheidung sein.

                      »Ach, Vala.«

                      • 13. September 2018 um 18:07

                        Valerias Atem ging schwer. Neben sichim Sand hörte sie ihren Freund keuchen.

                        »Das war schön«,flüsterte sie und lächelte Yuzik an.

                        »Das war schön«,sagte er und lehnte sich zurück.

                        Eine Weile sagte keiner von ihnenetwas. Valeria genoss den Nachhall von Rahjas Wohlwollen. So musstees sein, ohne Schmerz, ohne Gewalt – nur so konnte es dem Willeneiner Göttin entsprechen.

                        »Du wirst es deinem Vatersagen«, stellte ihr Freund fest.

                        »Ja. Bevor er mich an ZoltarsVermittler verkauft.«

                        »Er wird zornig sein. Ichsollte dann nicht mehr in seiner Nähe sein.«

                        »Ich werde damit warten, biswir nach Mirham zurückgekehrt sind.« Sie seufzte. »Estut mir leid. Ich habe nicht daran gedacht, dass ich dirSchwierigkeiten machen werde.«

                        »Es war jede Schwierigkeitwert, Vala.«

                        »Kaum. Ich schulde dir nochwas.« Sie drehte sich zur Seite und stellte ein Bein auf.

                        Yuzik lächelte wissend.

                        • 14. September 2018 um 15:09

                          Anwerbung

                          »Komm jetzt her, Valeria.«

                          Ihre Mutter bemühte sich um einefeste Stimme, konnte aber das Zittern darin nicht ganz verbergen. Dasrechte Auge war noch blutunterlaufen, und sie humpelte ein wenig.Valeria wusste, dass die schlimme Hüfte daran schuld war, dort,wo ihr Vater einmal zu fest zugeschlagen hatte.

                          Sie selbst hatte Glück gehabt.Zwar spürte sie Schmerzen am ganzen Körper, aber dieStriemen und blauen Flecken würden bald verschwinden. Falls ihrVater nicht zuvor beschloss, sie wieder einmal aufzufrischen.

                          Drei Monde waren vergangen, seit sievon ihrem Karawanenzug zurückgekehrt waren. Drei Monde, seit sieihrem Vater vom Verlust ihrer Unschuld gebeichtet hatte. Drei Monde,seit er sie so hart verprügelt hatte, dass ihre Mutter mit ihrheimlich zu einem Priester der Perainekirche gegangen war. DreiMonde, in denen immer wieder neue, immer wieder andere Striemen aufihrer Haut verblassen konnten.

                          Drei Monde, seit ihr Vater denPlanwagen abgestellt, die Pferde verkauft und sich selbst alsAssistent am Hafen verdingt hatte. Sein karger Lohn dort hättewohl ausgereicht, seine Familie zu versorgen, wenn er nicht dengrößten Teil davon täglich in die Schänkegetragen hätte.

                          Drei Monde, in denen ihre Mutterversuchte, ihre Tochter und sich selbst mit Nähereien zuernähren. Drei Monde, in denen Valeria versuchte, selbst einpaar Münzen zu verdienen, ohne in die Nähe fremder Männerzu gelangen, die in ihr nur eine leichte Beute sahen.

                          Die fremden Männer waren imIrrtum – sie war geschickt darin, ihnen auszuweichen, Dächer,Mauern oder Zäune zu erklettern, schnell über schmaleFirste und Mauerkronen zu balancieren oder sich in schmalen, dunklenSpalten zu verstecken. Selbst wenn mal einer von ihnen schnell genugzugriff, blieben ihr immer noch Yuziks Tricks.

                          Sie lernte alle dunklen Spalten undWinkel Mirhams kennen, und auch die lichten Plätze und breitenStraßen, auf denen Händlern und Herrschaften mal etwasverloren ging – sie lernte, Dinge zu finden, manchmal auch solche,die noch gar nicht verloren gegangen waren. Von fremden Beuteln hieltsie sich jedoch fern – sie traute ihrer eigenen Fingerfertigkeitnicht, und sie hatte gesehen, was jungen und alten Beutelschneidernblühte, wenn man sie erwischte.

                          »Komm schon rein, Kind«,rief ihre Mutter.

                          Valeria fand es nicht mehr richtig,Kind genannt zu werden – sie war jetzt Frau, ganz gewiss! – aberihr Körper entwickelte sich noch immer, und außerdem wares besser, als von ihrer Mutter beim ganzen Namen gerufen zu werden.

                          Sie beeilte sich, ihre Funde in derKüche abzustellen und ihre Strähnen mit den Fingern zubändigen. Ein halber Fisch, noch fast frisch, drei kaumangefaulte Aranjen, ein halbes Brot – wenn die Händler ihreMarktstände abbauten, gab es immer etwas zu holen.

                          Adelia lächelte. »Darauskann ich etwas zaubern. Komm, mach dich schnell frisch – dein Vaterbringt jemanden mit.«

                          Valeria trat vor den Wascheimer. IhreGedanken rasten. Ihr Vater brachte einen Gast? Doch hoffentlichkeinen von Zoltars Vermittlern? Hatte er eine Möglichkeitgefunden, beschädigte Ware zu vermarkten?

                          Als die beiden Männer ihrekleine Wohnküche betraten, erstarrte sie vor Erstaunen. Der Gasttrug einen langen, knotigen Stab und einen spitzen Hut – einZauberer!

                          • 15. September 2018 um 16:19

                            Ihr Vater stellte den bleichen Mannmit den tiefen Augenhöhlen als Hassan ibn Selim vor.

                            »So, und das ist Ihre Tochter«,stellte der Zauberer fest. »Komm her, junge Dame, und sieh michan.«

                            Die Anrede erinnerte Valeria an eineLektion ihrer Mutter. Sie trat vor und knickste. »Hesinde zumGruße, ehrenwerter Herr.«

                            Der Zauberer lachte und zog einenHocker heran, auf dem er sich niederließ. »Oh, perfekt!Ein kluger Kopf in schöner Schale! Nun, junge Dame, erzähldoch mal, was weißt du über Magie?«

                            »Nichts, ehrenwerter Herr.Nichts von Belang, zweifellos.«

                            Herr ibn Selim wedelte mit einemZeigefinger. »Überlasse für den Augenblick einmalmir, zu entscheiden, was von Belang ist. Sage mir nur, was du weißtoder gehört hast.«

                            Valeria zögerte. Was wusste siedenn über Zauberei? »Zauberei ist eine besondere Gabe, dienicht jedem gegeben ist. Sie ermöglicht, mit den Geistern derAhnen zu sprechen oder schwere Verletzungen zu heilen.«

                            Der Zauberer sah zu ihrem Vater auf,dann wieder zu ihr. »Soso, Geister der Ahnen. Von wem hast dudas?«

                            Valeria konnte ihren Blick nicht vonden Augen des Magiers lösen. Es schien ihr unangebracht, etwasanderes als die Wahrheit zu sagen. »Ein – Freund. Er istOijaniha.«

                            »Ah, natürlich! Ja, beidiesen Völkern ist das nicht ungewöhnlich. Und sag, wasweißt du noch?«

                            Sie dachte nach. »Zaubererlernen die Zauberei in der Zauberschule. Zauberer können Blitzeaus den Augen schleudern und Menschen in Kröten verwandeln.«

                            Der Mann lachte schallend. »Ja,das erzählt man sich über uns, bei Levthans Bart!«

                            Er wischte sich eine Träne ausdem Auge. »Nun gestatte mir, dass ich dich einmal genauanschaue. Dir passiert nichts. Was ich tue, hilft nur mir, bessersehen zu können.«

                            Hassan ibn Selim stimmte einen leisenSingsang an und wedelte dazu mit seinen Händen rund um ihrenKopf. Dann runzelte er die Stirn und begann von Neuem.

                            Diesmal hellte sein Gesicht sich auf,und er schaute wieder zu ihrem Vater. »Oh, welche Kraft! Wiewundervoll! Herr Marquez, ihr habt eine wahrhaft begabte Tochter –die Erzählungen waren gewiss kaum übertrieben!«

                            Dann fasste er Valeria an beidenSchultern. »Junge Dame, du hast es dir sicher schon gedacht –du gehörst zu den Auserwählten, welche die Gabe besitzen!Du besitzt die Kraft der Magie.«

                            »Ich? Aber –«

                            »Kein Aber«, unterbracher sie. »Schau, als du bei eurer letzten Reise den Windstoßbeschworen hast, hast du da nichts an dir bemerkt?«

                            »Welchen Windstoß?«

                            »Als der Fischer diesenunsittlichen Vorschlag gemacht hat. Das wolltest du nicht, oder? Duwarst dagegen, mit all deiner Kraft. Hattest du Angst?«

                            »Äh – ja.«

                            »Warst du zornig?«

                            »Jjja.«

                            Der Zauberer nickte. »StarkerGefühle wie Angst oder Zorn können dazu führen, dassdie Kraft in roher Form freigesetzt wird – ich habe aber seltengehört, dass es so zielgerichtet geschieht. Ist dir sonst nieein solches Ereignis aufgefallen, junge Valeria?«

                            Sie überlegte. »Doch,einmal. Ich habe eine Frucht auf einen Jaguar geworfen, der Yuzikangreifen wollte. Es gab Funken, und es hat sein Fell versengt. Also,das Fell des Jaguars, nicht Yuziks.«

                            Ibn Selim grinste. »Ja klar.Soso, erstaunlich. Also, junge Valeria, du kannst es weit bringen, dabin ich mir sicher. Wenn du es möchtest, und wenn deine Elternes gestatten.«

                            Er erhob sich und nickte den beidenErwachsenen zu. »Wie ich schon erwähnte, ist es mirgestattet, den Eltern besonderer Talente eine Prämie alsEntschädigung zu zahlen, abgesehen von den Vorzügen, dieeure Tochter erfahren wird. An der Akademie wird man sie schulen,kleiden, ernähren, und wenn sie alle Prüfungen besteht,woran ich bei eurer Tochter keine Zweifel habe, dann wird sie dieAkademie als angesehene Gelehrte verlassen – ihre Zukunft wirdgesichert sein.«

                            Ihre Mutter hatte eine Frage auf derZunge, doch ihr Vater war schneller. »Wie hoch ist die Prämie?«

                            »Nun.« Der Zaubererzögerte. »In diesem besonderen Fall kann ich euch einbesonderes Angebot machen. Einhundert Dublonen, und das ist einFestpreis.«

                            »Einhundert Dublonen!«ächzte Adelia.

                            Ihr Vater zog die Augenbrauen hoch.Zu Valerias Erstaunen schlug er nicht sofort ein. »Zu was füreiner Akademie werdet ihr sie bringen? Al’Anfa? Brabak?«

                            »Spielt das für euch eineRolle?« fragte der Gelehrte zurück.

                            »Ja.«

                            Erneut wunderte Valeria sich überihres Vaters Entschlossenheit.

                            Ihr Vater wich dem prüfendenBlick des Zauberers nicht aus. »Ich möchte nicht, dassmeine Tochter zu einer großen Dämonenbeschwörerinwird. Und ich möchte auch nicht, dass sie unter den ZöglingenAl’Anfaner Granden aufwächst.«

                            Hassan ibn Selim nickte. »Dannkann ich euch beruhigen. Das möchte ich auch nicht. Ich würdeeure Tochter gern mit mir nach Mhanadistan nehmen. Die Bannakademieist eine Schule für Antimagie, und die Zöglinge haben inder Regel schon einen Kontrakt in der Hand, wenn sie zu ihrer letztenPrüfung antreten.«

                            Damit schien ihr Vater zufrieden. Ernickte.

                            »Halt«, sagte Adelia.»Wartet mal. Du willst unsere Tochter verkaufen?«

                            »Adelia, bitte.«

                            »Nein. So geht das nicht. Sieist immer noch unser Kind!«

                            Der Zauberer hob eine Hand. »Bitte,gute Frau. Ich werde Ihre Tochter nicht kaufen. Sie wird nicht meinEigentum. Das Geld ist, wie ich sagte, eine Entschädigung. IhreTochter soll sich keine Sorgen um das Wohlergehen ihrer Eltern machenmüssen. Nicht wahr, junge Dame?« Er wandte sich Valeriazu. »Deinen Eltern soll es gut gehen, auch wenn du währenddeiner Lehrzeit nicht für sie sorgen kannst.«

                            Dann ergriff er die Hand ihrerMutter. »Verzeiht meine Unverfrorenheit. Doch glaubt mir bitte– ich habe das Wohl eurer Tochter im Sinne. Bedenkt, sie wird einegute Ausbildung erhalten. Sie wird eine angesehene Frau sein. Und siewird sicher sein. Nicht jeder Mann wird sich wegen ihrer Klugheit undBildung für eure schöne Tochter interessieren. Sie musslernen, sich wehren zu können, und das wird sie. Und bedenktauch, wie gefährlich diese Gabe werden kann, wenn sie nichtgelernt hat, die Kraft zu kontrollieren. Sie muss ausgebildet werden,bevor sie sich und anderen ernsthaft schaden kann.«

                            Bei seinen letzten Worten konnteValeria sehen, wie der Widerstand in ihrer Mutter zusammenbrach.

                            Sie begann zu weinen und klammertesich an ihren Mann. Der Zauberer berührte ihren Vater am Arm undtrat zurück.

                            Ihr Vater nickte erneut. »Dannmuss es so sein. Valeria, komm her.«

                            Sie trat vor ihren Vater. Hatte ernoch eine Tracht Prügel zum Abschied für sie?

                            »Valeria, meine Tochter, hörmir gut zu. Ich war nicht gut zu dir. Ich habe dich bestraft, weilich in dir stets mein Unvermögen erkannt habe, euch ein gutesHeim zu bieten, vor allem, wenn ich betrunken war. Ich habe michgehasst, weil ich versagt habe, und ich habe mein Versagen in dichhinein geprügelt, weil ich mich nicht selbst verprügelnkonnte. Das war so furchtbar falsch, und ich schäme mich dafür.Doch ich weiß auch, dass ich eine starke Tochter herangezogenhabe, die einen Knuff vertragen kann. Ich habe dich immer dafürbewundert, wie du meine Strafen stolz und mit Würde ertragenhast. Das wird dir sicher helfen – denke daran, wie stark du seinkannst, wenn du mal auf ein Hindernis stößt. Du kannst das– du allein. Und nun – mögen Aves und Phex dich auf deinemWeg begleiten. Wir lieben dich, vergiss das nicht.«

                            Valeria staunte. Eine so lange Redehatte ihr Vater noch nie gehalten. Sie beschloss, ihn dafür zuumarmen, dann auch ihre Mutter.

                            Sie war bereit, sein Lob anzunehmen.Ja, sie fühlte sich stark, um anzunehmen, was auf sie zukommenmochte. Aber sie war nicht bereit, seine Prügel zu entschuldigenoder als Methode der Abhärtung anzuerkennen. Seine Liebe, was erso nannte, brauchte sie nicht.

                            Valeria schaute den fremden Zaubereran. Sie beschloss, ihm nicht zu vertrauen. Er war auch nur ein Mann.Aber er war nützlich dafür, ihr den Weg in ein anderesLeben zu zeigen, in dem sie hoffentlich bald mehr Freiheit genießendurfte.

                            »Ich bin bereit. Gehen wir?«

                            Hassan ibn Selim musterte ihrenKittel aus Sackleinen und ihre nackten Füße. »Ja.Pack deine Sachen zusammen, und dann können wir aufbrechen.«

                            Dabei löste er zwei schwereBeutel von seinem Gürtel und warf sie auf den Küchentisch.Es klirrte gedämpft.

                            Valeria lächelte. »Ichmuss nicht packen. Es gibt hier nichts mehr, das mich hält.«

                            • 16. September 2018 um 13:36

                              »Erst einmal besorgen wir diretwas zum Anziehen«, verkündete Hassan ibn Selim.

                              »Brauche ich nicht«,sagte Valeria und zupfte an ihrem Kittel. »Ich bin angezogen.«

                              »Wir haben eine lange Reise voruns.«

                              »Mein Kittel hat schon vieleReisen überstanden. Ich bin sicher, er hält auch noch eineweitere aus.« Valeria hielt seinem prüfenden Blick stand.»Nehmt es mir nicht übel, aber ich möchte Euch nichtsschuldig sein. Wenn es möglich ist, werde ich auch für dieKosten der Reise einstehen.«

                              »Wie du willst.« Ihr –ja, was? Vormund? Pate? Lehrer? Gönner? schaffte es nicht ganz,sein Schmunzeln vor ihr zu verbergen. »Ich werde entsprechendeVereinbarungen treffen.«

                              Sie konnte nicht sagen, was ihrWunsch bedeuten würde – Pferde füttern, Wagen be- undentladen, Feuerholz suchen? – aber sie würde damit zurechtkommen, so wie auf den Handelsreisen mit ihren Eltern. Was esbedeuten konnte, unbedacht einen Gefallen anzunehmen, hatte siejedenfalls gesehen. Zoltar hatte oft jemandem einen Gefallen getan,und wenn es diesem Jemand dann einmal schlecht ging, kam Zoltar undkassierte ab. »Du schuldest mir noch etwas«, war dannseine Einleitung. Ihr Vater war nicht darauf hereingefallen, trotzseiner Liebe zu Zoltars Alkohol. »Gib ihm einen Finger, und ernimmt deinen Arm«, hatte ihr Vater zu seiner Frau gesagt. »Daswird mir nicht passieren. Bevor ich in diese Versuchung komme, nimmeinen Knüppel und erschlage mich.«

                              Nein, Valeria würde von Hassanibn Selim keine Gefallen annehmen.

                              • 17. September 2018 um 17:11

                                Von Mirham ging es per Flusskahn denChamir hinab nach Chatosqua. Valeria kannte den ersten Teil derStrecke von den Reisen mit ihren Eltern, wenn auch vom Ufer aus.Flusskähne hatte sie des Öfteren gesehen.

                                Ihre Karawane war allerdings immerdem Karrenweg gen Rahja gefolgt. Der Grund war Valeria klar – daChatosqua per Schiff erreichbar war, brauchte man dort keineKleinhändler mit ihren Karren.

                                Der Ort im Delta des Chamir war vielkleiner als Mirham, aber der Hafen war größer. Hier sahValeria zum ersten Mal ein richtiges Schiff aus der Nähe, miteinem hohen Mast, einer Querstange, und einem riesengroßenaufgerollten Stück Tuch daran. Vermutlich diente es dazu,irgendwie den Wind einzufangen, aber was tat man, wenn dieser nichtin die gewünschte Richtung blies?

                                Ibn Selim zeigte darauf, währendder Flusskahn am Steg vertäut wurde. »Die Blume vonThalusa. Mit diesem Schiff werden wir segeln. Ich hatte KapitänMossul gebeten, auf der Rückfahrt von Al’Anfa wieder hieranzulegen.«

                                Er zeigte auf die hölzernenPfeiler, die den Steg trugen. Mehrere Spann glitschigenAlgenbewuchses ragten aus dem Wasser. »Wir haben Ebbe. Es wirdnoch eine Weile dauern, bis wir segeln können. Ich habe mitunserem Kapitän vereinbart, dass du beim Ausladen hilfst, alsBezahlung für deine Überfahrt.«

                                Valeria nickte. Sie hatte schonbemerkt, dass es unterwegs nichts für sie zu tun gegeben hatte,und mit einer solchen Aufgabe gerechnet.

                                • 18. September 2018 um 17:44

                                  Der Boden unter Valerias Füßenschwankte merklich. Ebenso deutlich erkannte sie, dass Ibn Selim sichnicht wohl fühlte, auch wenn er versuchte, dies zu verbergen.

                                  »Kapitän Mossul, dies istmein Schützling Valeria. Valeria, dies ist Kapitän Mossul.Kapitän, Valeria wünscht, den Preis für ihre Passageselbst abzuarbeiten.«

                                  Der Kapitän musterte sie miteinem spöttischen Grinsen. »So? Nun, hübsch anzusehenist sie ja.«

                                  Hassan ibn Selim straffte sich einwenig. »Ich bin dafür verantwortlich, dass ihr nichtszustößt, und Ihr wisst, dass ich mein Wort stets halte.«

                                  Mossuls Grinsen fror ein. »Natürlich,natürlich. Ein schlechter Scherz, verzeiht.« Er wandtesich Valeria zu. »Also, was kannst du denn? Bist du schoneinmal zur See gefahren?«

                                  Valeria schüttelte den Kopf.»Nein, aber ich würde gern mehr darüber erfahren. Ichkann beim Laden und in der Küche helfen, ansonsten glaube ichnicht, dass irgendetwas von dem, was ich bisher gemacht habe, hiernützlich wäre. Also muss ich lernen, was an Bord einesSchiffs zu tun ist, damit ich Euch von Nutzen sein kann.«

                                  Sie schaute sich um. Auf dem Karrenihres Vaters oder in der Küche in Mirham hatte es deutlichordentlicher und sauberer ausgesehen als auf dem schwankendenHolzboden der Blume von Thalusa. Darauf hatte ihre Mutterstets Wert gelegt. »Vielleicht kann ich hier mal aufräumenund putzen?«

                                  Die Gesichtszüge des Kapitänsentgleisten, und Hassan ibn Selim brach in schallendes Gelächteraus.

                                  Erst nach einigen tiefen Atemzügenwar er wieder in der Lage zu sprechen. »Wundervoll! Oh,Kapitän, ist sie nicht herrlich? Kaum ein paar Minuten an Bordeures Schiffs, und schon legt sie den Finger genau in die Wunde.«

                                  Ibn Selim nickte Valeria zu. »Dumusst wissen, er hat mir auf dem Weg hierher jeden Tag in den Ohrengelegen, wie faul und träge seine Mannschaft sei, und wiedringend sein Schiff mehr Ordnung bräuchte – aber wenn er hartdurchgreifen würde, hätte er morgen keine Mannschaft undkein Schiff mehr.«

                                  »Na dann«, sagte Valeria.»Ihr müsst mir nur sagen, was wo hingehört, und woich Besen und Kehrschaufel finde, oder was man auf Schiffen soverwendet, und dann kann ich loslegen.«

                                  • 19. September 2018 um 17:52

                                    Valeria blieb wenig Zeit, die Wocheauf See zu genießen.

                                    Innerhalb von zwei Tagen hatte siedas offene Deck und die Gemeinschaftsräume auf Vordermanngebracht. Kapitän Mossul nickte ihr freundlich zu, und auch seinObermaat Faizal lobte sie dafür – nur um sie gleich zum Reffendes Segels einzuteilen.

                                    »Es kommt Sturm auf«,erklärte Faizal. »Wenn wir zu viel Segelfläche haben,reißt der Sturm uns den Mast ab. Also müssen wir das Segelkleiner machen. Dazu muss jemand hinaufklettern und den Stoffhochziehen. Siehst du die kleinen Bändchen, die in den Stoffeingearbeitet sind?«

                                    Valeria nickte. »Ja. Ich habemich schon gefragt, wozu ein Segel Fransen braucht.«

                                    »Damit wird Lage für Lagehochgebunden. Wir müssen drei Lagen wegnehmen.« Faizalgriff nach ihrer Schulter. »Hör gut zu. Das ist einegefährliche Arbeit. Wenn du dich nicht gut festhältst, kannein Windstoß oder ein Schlag des Segels dich hinunterwerfen.Wenn du ins Meer fällst, bist du verloren – das Schiff ist soschnell weitergefahren, dass wir dich nicht wiederfinden würden,selbst wenn du schwimmen könntest. Wenn du auf das Deck fällst,brichst du dir alle Knochen. Also merk dir – eine Hand fürdich, eine Hand für das Schiff.«

                                    Er zeigte auf einen Seemann, derValeria mit einer großen Zahnlücke anlächelte. »Duarbeitest neben Rafim. Schau dir bei ihm ab, wie es geht.«

                                    Valeria sah darin kein Problem, auchwenn die Blume von Thalusa in der Dünung schon kräftigstampfte und rollte. Sie genoss den Gedanken, jetzt auf dem Weg zueinem richtigen Seefahrer zu sein, endlich mit richtiger Arbeit ihreÜberfahrt zu verdienen.

                                    Sie kletterte hinter Rafim hinauf,krallte genau wie er ihre Zehen in das dafür vorgesehene Tauunter der Rah, hielt sich mit der Linken fest und zog mit der rechtenHand am Stoff des Segels. Nicht ganz klar war ihr, wie sie mit einerHand die beiden Bändchen verknoten sollte, doch Rafim zeigte ihrauch das.

                                    Nach dem Reffen des Rahsegelskletterte sie hinab, in der Hoffnung auf ein kleines Lob von Faizal.Doch dieser sah sie kritisch an. Neben ihm stand Kasim und grinste.Warum?

                                    Dann begriff sie. Kasim war beimHinaufklettern hinter ihr gewesen, und Faizal hatte sie von untenbeobachtet. Beide hatten die gute Sicht ihren Kittel hinauf genießendürfen, unter dem sie wie gewohnt kein Lendentuch trug.

                                    Damit musste sie selbst umgehen. Alsolächelte sie fröhlich zurück. »Hat euch meinEinsatz gefallen? Ich fand es aufregend. Und außerdem konnteich von oben ein paar Stellen sehen, die ich noch nicht geputzt habe.Ich hole gleich den Eimer und die Bürste, in Ordnung?«

                                    • 20. September 2018 um 17:27

                                      Würfel waren für Valeriaauch etwas Neues, ebenso wie die Hängematte im Mannschaftsraum,die sie sich von ihrem Handgeld hatte kaufen müssen.

                                      Von ihrem Schlafplatz aus sah sie denSeeleuten beim Würfeln zu.

                                      Als sich Rafim einmal grinsend zu ihrumsah, sprach sie ihn an. »Du, Rafim, darf ich dich etwasfragen?«

                                      »Gern, Valeria.«

                                      »Zuerst habe ich gedacht, ichverstehe, wie ihr mit Würfeln spielt, und wie man das Spielgewinnt. Aber irgendwie scheint mir, dass derjenige, den ich fürden Gewinner hielt, gar nichts bekommt. Wie funktioniert diesesSpiel?«

                                      Rafim zeigte ihr fröhlich seineZahnlücke. »Doch, der Gewinner bekommt etwas. Wer am Endesiegt, darf morgen direkt nach dir zur Rah hochklettern.«

                                      Valeria war zuerst überrascht,aber dann wurde ihr bewusst, dass auch Seeleute gerne nach Frauenschauen mochten. Männer waren an Bord der Blume von Thalusain der Überzahl, und die Matrosinnen hatten an den rauenKollegen wohl wenig Interesse – aus ihrer Sicht durchausverständlich.

                                      »So. Naja, dann brauche ichmeine zweite Frage ja nicht mehr zu stellen.«

                                      »Was wolltest du denn wissen?«

                                      »Ob ich mitspielen darf.«

                                      • 21. September 2018 um 15:23

                                        »Hast du erstmal genug von deranstrengenden Arbeit?« fragte Hassan ibn Selim. Er saßauf seiner Kiste auf dem Kai von Aimar-Gor.

                                        »Ich möchte das nicht fürden Rest meines Lebens machen, wenn Ihr das meint, ehrenwerter Herr«,gab Valeria zu. »Wie weit ist es denn noch bis Fasar?«

                                        »Wenn wir reiten, könnenwir in acht Tagen dort sein.«

                                        »Ich kann nicht reiten.«Abgesehen davon, dass sie sich kein Pferd leisten konnte.

                                        »Aber du – ach so, ihr hattetZugtiere. Du bist nie auf eines davon gestiegen?«

                                        »Nein, das durfte ich nicht.«Sie überlegte. »Dann gehen wir zu Fuß? Das müsstendann sechzehn Tage sein, oder?«

                                        Ibn Selim nickte. »Das ist einerealistische Schätzung. Aber ich bin nicht mehr so gut zu Fuß.Ich werde eine Kutsche mieten.«

                                        Valerias Miene verdüsterte sich.»Das kann ich mir nicht leisten. Aber vielleicht könnteich dem Kutscher helfen? Seine Pferde an- und abspannen, striegelnund füttern?«

                                        »Das werde ich arrangieren.«

                                        • 22. September 2018 um 12:30

                                          Elevin

                                          Seine Spektabilität Sarim alJabar, Leiter der Bannakademie Fasar, alias Al’Amulyat, alias»Groß-Tulamidische Schule der Magischen Künste –Exorzistische und Bann-Akademie zu Fasar« – deren Existenzaußerhalb der Schule nur wenigen Personen bekannt war, wie ibnSelim mehrfach betont hatte – schüttelte immer noch den Kopf.Der Schleier vor seiner Mundpartie schwang dabei mit – dieHalbmaske vor Augen und Nase saß dagegen fest wie angegossen.

                                          »Das hatten wir auch nochnicht. Eine Elevin, die nichts als einen alten Kittel besitzt?Konntet ihr unterwegs keine bessere Kleidung besorgen?«

                                          »Ich wünschte nicht, inder Schuld des Ehrenwerten Herrn ibn Selim zu stehen«, sagteValeria mit fester Stimme. »Ich werde mir meine Kleidungerarbeiten, soweit mir dazu neben der Schule Zeit bleibt.«

                                          Ibn Selim warf dem Akademieleitereinen kurzen Blick zu und zuckte mit den Schultern.

                                          »Das kommt nicht in Frage«,sagte al Jabar. »Wir können unseren Eleven nichtgestatten, die Schule zu verlassen und in der Stadt herumzustreunen,solange sie nicht gelernt haben, unsere Geheimnisse zu wahren. Zudembezweifle ich stark, dass dir neben deinen Studien Zeit bleibt, alsowerden wir dir angemessene Kleidung stellen. Es ist nicht als Vorwurfgegen dich gemeint, aber wir finden unsere Zöglingenormalerweise früher, wenn sie noch keine eingefahrenenGewohnheiten entwickelt haben.«

                                          Er musterte sie genau. »Wirkönnen dich nicht einfach mit den Kleinen zusammenpacken. Dashat noch nie funktioniert. Wenn wir dich aber in die nächsthöhereGruppe sortieren, hast du viel nachzuholen. Glaubst du, du kannst dasschaffen?«

                                          Valeria dachte an den Rat ihresVaters. »Ich kann alles schaffen, Eure Spektabilität.«

                                          »Ihr Wille ist stark«,sagte ibn Selim. »Und ihre Kraft – aber seht doch selbst.«

                                          Al Jabar nickte. »Nun gut.Valeria, gestattest du, dass ich einen Hellsichtzauber auf dichwirke, um deine magische Kraft zu untersuchen?«

                                          »Ihr seid die Spektabilität«,sagte sie. »Gewiss steht Euch zu, alles zu tun, was Ihr fürangemessen haltet.«

                                          »Ah ja, das ist wohl wahr. Dochhalten wir es hier an der Schule für angemessen, bei Zauberngegen die Person zuvor um Erlaubnis zu ersuchen. Das unterscheidetuns von den Schülern der Al’Achami – du hast den Namen schongehört? Es ist eine Schule der Linken Hand, der Schwarzen Magie,spezialisiert auf Beherrschung. Dort zählt nur das Recht desStärkeren – so wollen wir es bei uns nicht halten.«

                                          »Ich gestatte dieUntersuchung«, sagte Valeria. Auch wenn sie ihrenAkademieleiter gerade erst kennengelernt hatte und versuchte, ihntrotz seiner Maskierung so nett zu finden, wie er sich gab – obwohler auch nur ein Mann war und sein Blick gelegentlich auf ihrenweiblichen Formen verharrte – fand sie seinen Ansatz naiv.Vielleicht funktionierte es innerhalb seiner Schule, doch außerhalbdieser Mauern galt das Gesetz der Straße.

                                          Ich werde alles lernen, was du zubieten hast, dachte sie, ob du es mir freiwillig erzählst oderich es mir holen muss.

                                          Seine Spektabilität kniff dieBrauen zusammen und sprach ein paar Worte. Valeria verstand nur»Odem«.

                                          »Gab es besondere Vorkommnisseauf eurer Reise?« fragte er dann, an ibn Selim gerichtet.

                                          »Nein. Ihr Aussehen erregtAufmerksamkeit, doch in meiner Gegenwart hat niemand gewagt, sichmehr als eine anzügliche Bemerkung herauszunehmen. Was ihreKraft angeht – nichts.«

                                          »Ich müsste mehrerkennen«, sagte al Jabar.

                                          Ibn Selim faltete seine Hände.»In der Tat – das überraschte mich auch. Sie istverhüllt.«

                                          Valeria horchte auf. »Ist dasschlimm? Wird es mich am Lernen hindern?«

                                          »Nein, keineswegs, Valeria«,sagte der Akademieleiter. »Es bedeutet nur, dass mancheZauberer dich nicht auf Anhieb als magiebegabt erkennen können.Das ist eine sehr seltene Fertigkeit, insbesondere bei ungeschultenTalenten. Und das zusammen mit dem Faktum, dass du über mehrKraft verfügst als andere Anfänger – wir werden dich sehraufmerksam beobachten.«

                                          Kein freier, unbeaufsichtigterSchritt also, schloss die junge Elevin. Nun gut, ich werde michdurchbeißen. Irgendwann ist die Schulzeit ja zu Ende.

                                          • 23. September 2018 um 12:12

                                            Die ersten Wochen in der Schule eilten an Valeria vorbei wie die verirrte Meeresbrise im Dschungel.

                                            Sie wurde eingekleidet und musste erst einmal lernen, wie man ein Brusttuch oder ein Lendentuch bindet, wie man Socken oder Schuhe anzieht, oder wann man welches Elevengewand zu tragen hatte, je nachdem, welches Fach im Lehrplan stand.

                                            Sie musste lernen, wie man sich an der verwinkelten Akademie mit ihren zahlreichen Geheimgängen zurechtfand, oder wie man sich seine Studien einteilen musste, um keinen Unterricht und keine Mahlzeit zu verpassen.

                                            Sie musste Lesen und Schreiben lernen, Geografie, Fasarer Politik, Recht und Etikette, Gildenrecht und grundlegende Zwölfgötterkunde und vieles mehr.

                                            Sie studierte magische Theorie für das erste, das zweite und das dritte Lehrjahr, lernte über die magischen Techniken, Merkmale und Repräsentationen und begann Konzentrationsübungen, um ihre eigene Kraft zu erkunden.

                                            Sie lernte die anderen Schüler ihres Lehrjahres kennen – fünf junge Männer, die jeweils von einem Fasarer Granden entsandt worden waren, die Kunst der verteidigenden Magie zu erlernen. Fünf junge Männer, die schon immer gewusst hatten, dass sie zu Höherem geboren waren und selbstverständlich besser waren als der gemeine Pöbel. Eines Tages würden sie alle »über die Brücken wandeln«, wie man in Fasar die Zugehörigkeit zur herrschenden Schicht umschrieb. Die hohen Häuser der Fasarer Granden waren untereinander durch Brücken verbunden, so dass keiner der Herrschenden sich unter das gemeine Volk mischen musste, um seinesgleichen zu besuchen.

                                            Selbstverständlich gehörte Valeria nicht zu diesem elitären Kreis. Sie entstammte dem Pöbel und konnte noch nicht einmal richtig zaubern – wenn Seine Spektabilität sie dennoch zum Studium der Magie zugelassen hatte, konnte das nur an ihrem höchst appetitlichen Äußeren liegen.

                                            Der erste Streich ließ nicht lange auf sich warten.

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